Thema Jugend: WDR-Rundfunkrat kritisiert Programmangebot

Weite Teile „von jüngeren Menschen nicht mehr wahrgenommen“

Michael Brandes – 24.01.2011

Thema Jugend: WDR-Rundfunkrat kritisiert Programmangebot – Weite Teile "von jüngeren Menschen nicht mehr wahrgenommen" – Bild: WDR

Die Erinnerung ist bereits stark getrübt, aber bis in die 90er Jahre gab es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch ein ernstzunehmendes Programmangebot für Jugendliche und junge Erwachsene. Dazu zählten die US-Vorabendserien, aber auch hochwertige Magazine und Shows wie „Moskito“ oder „Live aus dem Alabama“.

Wie traurig sich die Situation dagegen in der Gegenwart darstellt, belegen zwei aktuelle Meldungen aus diesem Monat: Die Erstausstrahlung der vielfach preisgekrönten US-Serie „Taras Welten“ erfolgt in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ab 2:00 Uhr morgens – weil das der einzige ARD-Sendeplatz ist, der für US-Serien zur Verfügung steht (fernsehserien.de berichtete). Nicht minder bezeichnend sind auch die Ansichten von Monika Piel, der ARD/​WDR-Vorsitzenden und trostloserweise auch Leiterin der ARD-AG ‚Junges Publikum‘: Die Jugend interessiere sich lediglich für „Angebote, die mit dem öffentlich-rechtlichen Profil kaum zusammenzubringen sind“, argumentiert die neue Senderchefin und fällt damit ein Pauschalurteil über eine potentielle Zielgruppe, auf die das Erste trotz Programmauftrag offenbar keinen Wert legt (fernsehserien.de berichtete).

Kritik am aktuellen Kurs kommt nun – am Beispiel WDR – vom WDR-Rundfunkrat, der einstimmig eine Stellungnahme zum Thema „Erreichbarkeit der Jugend“ verabschiedet hat, basierend auf Werkstattgesprächen mit jungen Fernsehzuschauern. Die Bilanz fällt dabei gemischt aus, ist aber insbesondere für das TV-Programm nicht schmeichelhaft: „Während weite Teile des Fernsehprogramms von jüngeren Menschen nicht mehr wahrgenommen werden“, so das deutliche Urteil, würden die Internet-Angebote des WDR sowie der Radiosender ‚1Live‘ stärker genutzt. Zwar gelten Nachrichten- und Informationssendungen beim jungen Publikum als verlässliche Quellen, die Kritik richte sich jedoch an ein „mangelhaftes Unterhaltungsangebot für ein jüngeres Publikum, an fragwürdige Platzierungen von Spielfilmen und Dokumentationen in der Nacht und einer fehlenden Talk-Sendung für ein jüngeres Publikum mit Themen aus der Zielgruppe“. Die wenigen für die Zielgruppe attraktiven Sendungen seien nur schwer auffindbar, so dass die Eigenwerbung zielgruppengerechter gestaltet werden müsse.

Zudem erinnert der Rundfunkrat seinen Sender an den Programmauftrag, der ausdrücklich darin bestehe, „alle Interessen und Zielgruppen mit Information, Bildung, Unterhaltung, Kultur und Sport zu versorgen“. Um diesem gerecht zu werden, „muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk Angebote auch für jüngere Menschen anbieten, selbst dann, wenn dies auf Kosten der Gesamtquote geht“. Wenn sich einzelne Zielgruppen vom Sender abwenden, sei es „umso schwieriger, die Menschen später mit anderen Angeboten wieder für die öffentlich-rechtlichen Sendungen zu begeistern. Es gibt keinen Automatismus, dass die Menschen mit steigendem Alter sich eher den öffentlich-rechtlichen Programmen zuwenden. Wer in seinem Mediennutzungsverhalten mit den Privatsendern groß geworden ist, wird ihnen auch als Erwachsener zugewandt bleiben. Dies belegen die Untersuchungen der Medienforschung seit Jahren.“

Die Stellungnahme endet mit einer Reihe von Empfehlungen an den WDR, darunter die Neueinrichtung einer Redaktion zur Entwicklung neuer Formate, „die sich in Ästhetik, Erzähltempo und Bildsprache an den Bedürfnissen eines jüngeren Publikums ausrichten“. In Frage käme auch eine Weiterentwicklung des jungen Polit-Magazins „echtzeit“ oder eine Neuauflage von „Kanzlerbungalow“. Grundsätzlich sollten sich alle Formate – von der Comedy- bis zur Familienshow – gezielter an den Interessen einer jüngeren Zielgruppe ausrichten und „deren Protagonisten als Identifikationsfiguren ins Programm integrieren“. Als Gesprächs- und Studiogäste „sollte man sich verstärkt um jüngere Menschen bemühen und die Themen der Zielgruppe ansprechen“. Zudem gelte es sowohl für Unterhaltungs- als auch journalistische Formate, junge Talente innerhalb des Senders zu fördern.

Das fiktionale ARD-Angebot wirke, so der Rundfunkrat, vor allem im Bereich der Primetime-Serien „häufig etwas verstaubt und altbacken“. Einzelne Filme und Serien wie „Mord mit Aussicht“ beweisen, dass auch Jüngere angesprochen werden können. Dagegen seien jedoch Serien wie „Um Himmels Willen“, „Familie Dr. Kleist“ oder „In aller Freundschaft“ „weder von der Aufbereitung noch von den Themen her geeignet, eine jüngere oder gar jugendliche Zielgruppe anzusprechen“. Ein jüngeres Programmangebot dürfe dabei nicht auf Spartenkanäle ausgelagert oder mitten in der Nacht versendet werden. Hier gelte es, attraktive Sendeplätze zu schaffen und Schul- und Arbeitszeiten sowie das Freizeitverhalten zu berücksichtigen. Das Schaffen junger Programmangebote sei dabei nicht gleichbedeutend damit, den Stil der Privatsender zu imitieren. Es gelte, einen eigenen Weg zu finden. Hierzu „bedarf es mehr Mut, eingetretene Pfade zu verlassen und auch Fehler zuzulassen.“

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    wunschliste.de schrieb:
    -------------------------------------------------------
    Ein jüngeres Programmangebot
    > dürfe dabei nicht auf Spartenkanäle ausgelagert
    > oder mitten in der Nacht versendet werden. Hier
    > gelte es, attraktive Sendeplätze zu schaffen und
    > Schul- und Arbeitszeiten sowie das
    > Freizeitverhalten zu berücksichtigen.

    schön geschrieben. aber wer soll sich das zu herzen nehmen? das sind doch alles nur lippenbekenntnisse und alibi-kritiken.
    man muß auch nicht serien die erfolgreich laufen krampfhaft verjüngen und so vielleicht die "alten" vergraulen. aber es ist genug platz vorhanden um auch angebote für jüngere zu machen. allein der wille fehlt.
    • am via tvforen.de

      Versuche, ein junges Publikum "zurückzugewinnen" oder auch nur zu gewinnen halte ich für unmöglich, es wird bei Ausnahmen bleiben. Daher sollten sich die ÖR diese Anstrengen (und damit das Geld) ersparen und einsehen, das entsprechende Versuche vergeblich bleiben werden und vielleicht eher das verbliebene Publikum nerven.

      Hoffen darf man vielleicht, dass irgendwann mal das Publikum von RTL usw. mit zunehmendem Alter auch mal die Nase voll hat von einem dann auch für sie auf zu jugendlich getrimmten Programm.

      "Alte" Leute gibt's immer und sie werden ja wohl auch immer mehr, aber ob die mit RTL & Co aufgewachsenen irgendwann zu den Öffentlichen wechseln? - Wetten würde ich darauf nicht, aber hoffen kann man ja.
      • am via tvforen.de

        beiderbecke schrieb:
        -------------------------------------------------------

        > "Alte" Leute gibt's immer und sie werden ja wohl
        > auch immer mehr, aber ob die mit RTL & Co
        > aufgewachsenen irgendwann zu den Öffentlichen
        > wechseln? - Wetten würde ich darauf nicht, aber
        > hoffen kann man ja.

        Die werden nicht wechseln. Das ist eine andere Generation. Die Leute die heute z.B. den Stadl anschauen, haben die Volksmusik in der Regel schon immer gehört. Die sind damit aufgewachsen.
      • am via tvforen.de

        Alternativ könnte man die Anzahl der Dritten auf max 4 reduzieren, ein paar Sparten und Digitalen Kanäle streichen die Bundesliga wieder an Ran übergeben
        und dafür eine Größere Summe in einen dritten großen ÖR Kanal stecken (ala BBC Three) auf den das Programm für ein jüngeres Publikum läuft und auf dem man auch mal etwas experimentieren kann

        Das wäre meine Wunschlösung
    • am via tvforen.de

      "dämliche Sound- und Bildeffekte "

      Das ist ein sehr sehr großes Problem heute...
      alles muss irgendwie mit bewegter Kamera aufgenommen werden, die auch noch dreht, und irgendwas ohne schreckliche Musik im Hintergrund ist heute auch noch kaum zu sehen. Auch wird mehr geschrien, als geredet....
      Ich glaube, das hat damit zu tun, dass man unsere Jugend absichtlich verblöden lassen will.
      • am via tvforen.de

        Das Problem ist das sich die ÖRs über Dekaden junge Zuschauer (und als jung gilt bei den ÖR´s jeder unter 50) vergrault habe. Die kommen nicht über Nacht wieder weil man mal nen Film für diese Zielgruppe sendet.


        Ausserdem nutzen junge Menschen "neue Medien" viel intensiver und das Fernsehen steht in einer stärkeren Konkurrenz . Deswegen werden die ÖRs bei einem jüngeren Publikum niemals die Traumquoten einfahren die sie mit der älteren Generation erreichen. Da die ÖRs aber hohe Quoten brauchen um ihr Dasein zu leigitimieren, werden sie auch in Zukunft auf die sicher einfahrbaren Quoten der Rentner Generation setzen und Formate für junge Menschen werden keine Chance haben.

        Interessant könnte es erst werden wenn den ÖR´s ihre Zielgruppe anfängt wegzusterben.
        • am via tvforen.de

          wunschliste.de schrieb:
          -------------------------------------------------------
          > Die Stellungnahme endet mit einer Reihe von
          > Empfehlungen an den WDR, darunter die
          > Neueinrichtung einer Redaktion zur Entwicklung
          > neuer Formate, "die sich in Ästhetik,
          > Erzähltempo und Bildsprache an den Bedürfnissen
          > eines jüngeren Publikums ausrichten".

          Bei der Umsetzung dieser Empfehlungen werden aber hoffentlich die verzweifelten Versuche des ZDF etwas jünger daherzukommen komplett ignoriert. Irrelevante Menschen von den Privaten (wie Elton im ZDF) sollten dort bleiben. Und gute Sendekonzepte (wie 'Leschs Kosmos' im ZDF) sollten nicht durch dämliche Sound- und Bildeffekte unbrauchbar gemacht werden.

          > Ein jüngeres Programmangebot
          > dürfe dabei nicht auf Spartenkanäle ausgelagert
          > oder mitten in der Nacht versendet werden. Hier
          > gelte es, attraktive Sendeplätze zu schaffen und
          > Schul- und Arbeitszeiten sowie das
          > Freizeitverhalten zu berücksichtigen. Das
          > Schaffen junger Programmangebote sei dabei nicht
          > gleichbedeutend damit, den Stil der Privatsender
          > zu imitieren. Es gelte, einen eigenen Weg zu
          > finden. Hierzu "bedarf es mehr Mut, eingetretene
          > Pfade zu verlassen und auch Fehler zuzulassen."

          Jetzt aber rasch an die Arbeit, die 10 Jahre, die es braucht, die Vorschläge in den Gremien durchzudiskutieren sind schnell vorbei!

          weitere Meldungen